Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen, Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
der Rat der Stadt Haltern am See trifft heute eine wichtige Entscheidung, die eine maßgebliche Investition im Ortsteil Haltern-Sythen zur Folge haben wird.
Vorgestellt haben sich zwei Bewerber. Die Fraktionen haben intensiv diskutiert und beraten. In den Ausschüssen sind am vergangenen Dienstag zwei unterschiedliche Beschlussempfehlungen abgegeben worden. Der Seniorenbeirat hat Vor- und Nachteile beider Konzepte nicht abschließend bewerten können. Wenige AnwohnerInnen haben sich heute in der Presse für das Konzept der Alloheim-Gruppe ausgesprochen.
Die Gemeindeordnung NRW regelt die Aufgaben und Pflichten der Ratsmitglieder. Alle Ratsmitglieder sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden. (§43 GO NRW).
Persönliche, sachliche und wirtschaftliche Interessen können im Interessenwiderstreit sein. Die Vorschriften über den Interessenwiderstreit sollen die Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der öffentlichen Verwaltung bzw des Rates auf der kommunalen Ebene sowie das Ansehen in der Öffentlichkeit sichern. Das heißt, das Vertrauen der BürgerInnen in die Objektivität muss durch Handeln der Verwaltung und des Rates stets erhalten bleiben.
Deshalb regelt § 31 der GO NRW mögliche Ausschließungsgründe von Ratsmitgliedern bei Abstimmungen. Zweck der Regelungen ist es deshalb, schon den “bösen Schein”, das heißt den Anschein von Korruption, zu meiden. Auch soll den Betroffenen eine persönliche Konfliktsituation erspart werden. Kommunalpolitisch Tätige sollen in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung entscheiden. (Vgl OVG Münster)
Ehrenamtlich tätigen BürgerInnen (z.B. Mitglieder von Ausschüssen, Ortsbeiräten sowie Kommissionen) und speziell Gemeinderatsmitgliedern wird die Mitwirkung bei kommunalen Beratungs- und Entscheidungsprozessen untersagt, wenn diese ihnen selbst, ihren Familienangehörigen und Verwandten oder natürlichen oder juristischen Drittpersonen, zu denen eine spezielle Bindung oder Abhängigkeit besteht, einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen können. Die Befangenheitsregeln sollen bei der Mandatsausübung entstehende Interessenkonflikte im Einzelfall ausschließen, die auf einer persönlichen oder sachlichen Beziehung zum Beratungsgegenstand und zur Beschlussfassung beruhen (OVG Münster, OVGE, 27, 60).
Die teilweise recht kompliziert ausgestalteten Regelungen beruhen auf einer Güterabwägung zwischen dem Rechtsgut einer möglichst vollständigen Teilnahme aller die Bürgerschaft vertretenden Ratsmitglieder und dem Gut der Wahrung der Allgemeininteressen durch die Ratsmitglieder unter Hintanstellung aller Individualinteressen.
Befangenheit liegt vor, wenn der an der Entscheidung im Gemeinderat (Rat, Gemeindevertretung) beteiligten Person selbst oder einem ihr zuzuordnenden persönlichen und sachlichen Beziehungsbereich ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil entstehen kann oder bei bestimmten Personen ein persönliches oder wirtschaftliches Interesse möglich ist.
Ist es nicht so, dass die persönliche Nähe der Herren Manfred und Markus Ernst zur Firma Rotthäuser sich auf diesem Hintergrund als problematisch erweisen könnte? War es nicht Herr Manfred Ernst der einzelne Vertreter der Fraktionen zum Gespräch beim Architekten Rotthäuser gebeten hat (und leider nicht das Ehepaar Rotthäuser persönlich)? Bereits heute wird kolportiert, dass die Firmen Ernst Auftragnehmer im Alloheim-Projekt sein werden.
Unmittelbarer Vorteil oder Nachteil
Zunächst muss ein Vorteil oder Nachteil vorliegen, der in der Regel dann gegeben ist, wenn eine persönliche Besser- oder Schlechterstellung in materieller (wirtschaftlicher), rechtlicher, ideeller, familiärer, religiöser oder ethischer Hinsicht eintreten kann, bzw. das persönliche Interesse in einem Einzelfall dem Interesse der Gemeinde oder der Allgemeinheit entgegengesetzt ist (Interessenwiderstreit), gleichgültig, ob es sich um persönliche oder vermögensrechtliche Angelegenheiten handelt. Es ist ausreichend, dass ein Vorteil oder Nachteil eintreten kann, wenn das Ratsmitglied bzw. die ihm zuzuordnenden Personen aufgrund besonderer persönlicher Beziehung zum Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles Sonderinteresse an der Entscheidung hat, das zu einer Interessenkollision führt und die Besorgnis rechtfertigt, dass nicht mehr uneigennützig und zum Wohl der Gemeinde gehandelt wird. Hierbei ist insbesondere nicht die Sicht des Rates maßgeblich, sondern der Empfängerhorizont. Wie wirkt die Mitwirkung der betroffenen Personen an der Entscheidung also auf die Bürgerinnen und Bürger? Möglicherweise wird hier eine Vorteilsnahme der Herren Ernst erkannt. Oder kann zum heutigen Zeitpunkt eine unternehmerische Tätigkeiten der Herren Ernst für das Alloheim hundertprozentig ausgeschlossen werden?
Ist es daher zum Schutz dieser Personen und im Hinblick auf die Möglichkeit einer Beanstandung der Entscheidung nicht ratsam, die beiden genannten Personen von der Mitwirkung an dieser Entscheidung auszuschließen?
Der Gesetzgeber regelt darüber hinaus, dass der Ausschluss den Zeitraum der entscheidenden Beratung und Beschlussfassung umfasst. Als weitere gesetzliche Voraussetzung wird geregelt, dass eine Mitwirkung den Ausschlag für oder gegen Entscheidung geben kann. Die knappen Abstimmungen in den vorangegangenen Ausschüssen bestätigen diese Voraussetzung.
Die SPD-Fraktion beantragt zum Schutz der Rechtssicherheit des Beschlusses, zum Schutz der Personen Manfred und Markus Ernst, den Ausschluss bei der Beratung und Beschlussfassung der Vorlage 14/136 in der heutigen entscheidenden Ratssitzung.